Segregation und Integration in historischer Perspektive[i]

 

Wolfgang Jantzen

 

„Die Zerstörung der Vergangenheit, oder vielmehr die jenes sozialen Mechanismus, der die Gegenwartserfahrung mit derjenigen früher Generationen verknüpft, ist eines der charakteristischsten und unheimlichsten Phänomene des späten 20. Jahrhunderts.“

(Eric Hobsbawn 1998, S. 17)

 

 

1 Vorbemerkungen

 

Segregation und Integration in historischer Perspektive zu behandeln, bedeutet nicht nur, relevante Ereignisse und Tendenzen zu identifizieren, es bedeutet auch sich ebenso über den Charakter dessen, was Integration und Segregation sind und sein könnten, Rechenschaft abzulegen wie über das, was eine historische Perspektive sein könnte.

In seinem herausragenden Buch „Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts“ bemerkt Eric Hobsbawn, daß den meisten Menschen zu Ende dieses Jahrhunderts (und dementsprechend zu Beginn des neuen Jahrhunderts) „jegliche organische Verbindung zur Vergangenheit der eigenen Lebenszeit fehlt“ (1998, S. 18). Exemplarisch hierfür die Frage eines intelligenten amerikanischen Studenten bei der Behandlung des Zweiten Weltkrieges, ob diese Bezeichnung denn bedeute, daß es auch einen ersten gegeben habe (ebd.).

Dieser Trend überlagert einen anderen, der sich seit Ende des Zweiten Weltkrieges durchgesetzt hat, den der Verbannung der Verlierer aus der Geschichte und dem intellektuellen Leben, „es sei denn in ihrer Rolle als der «Feind» im moralischen Weltdrama zwischen dem Guten und dem Bösen“ (ebd. S. 19). Und Hobsbawn fügt hinzu „Das könnte nun durchaus auch den Verlierern des Kalten Krieges aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts geschehen, wenn auch wahrscheinlich nicht im gleichen Ausmaß und für eine ebenso lange Zeit“ (S.19).

Weder besteht Anlaß, eine historische Perspektive anzunehmen, die vom Ende der Geschichte ausgeht und alles bisherige nur als einen von Widrigkeiten durchzogenen Siegeszug des Guten gegen das Böse identifiziert, ganz abgesehen davon, daß dies nur allzusehr an die Selbstbeschreibung in Komparativen des gerade untergegangenen „realen Sozialismus“ erinnert. Noch besteht Anlaß, diese Geschichte als Geschichte der Sieger zu schreiben. Gerade die Wahrnehmung der Perspektive der Verlierer wird nicht unwichtig für die Rekonstruktion des Ganzen sein.

Dies bedeutet nicht nur die Geschichte auch aus der Position der Verlierer des Zweiten Weltkrieges bzw. auch aus jener der Verlierer des Kalten Krieges zu betrachten, es bedeutet darüber hinaus die Geschichte des „Krieges gegen die psychisch Kranken und Behinderten“ (vgl. Dörner 1980) aus der Position der hier Unterlegenen zu rekonstruieren, also jenes Krieges, dessen Fronten sich im ausgehenden Kaiserreich und in der Weimarer Republik herausbildeten, der als Vernichtungskrieg während des Faschismus geführt wurde, aber seit dieser Zeit nach wie vor als Bürgerkrieg präsent ist[1].

Die Realisierung einer solchen Perspektive[2] für die Fachgeschichtsschreibung und zudem an einem Ort, wo sich die Entwicklung in zwei über 40 Jahre voneinander getrennten deutschen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftssysteme so verschränkt sind, wie hier am Institut für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB), ist nicht nur in diesem Vortrag sondern darüber hinaus zur Zeit noch gänzlich unmöglich. Wohl aber lassen sich einige methodologische Aspekte aufzeigen, die für die künftige Wahrnehmung der Geschichte des Problemzusammenhangs von Segregation und Integration nützlich sein könnten. Doch zunächst einige Überlegungen zu einer historischen Perspektive im Zusammenhang der vorliegenden Fakten.

 

 

2 Einige Fakten zur Entwicklung des Verhältnisses von Segregation und Integration in BRD und DDR sowie im vereinten Deutschland und das Problem einer historischen Bewertung

 

Unbestreitbar ist es, daß innerhalb der Sonderpädagogik in beiden deutschen Staaten Denkfiguren aus der Weimarer Republik in unterschiedlicher Weise nachwirkten (zur Ankoppelung an psychiatrische Denkformen vgl. Rohrmann 1992, Droste 2000).

Dies gilt sowohl für die innere Gliederung des Sonderschulsystems als auch für den außerschulichen Bereich.

Die Geschichte der bundesdeutschen Sonderpädagogik realisiert sich bis in die beginnenden siebziger Jahre im schulischen Bereich als Geschichte der Restauration eines aus der Weimarer Tradition unkritisch übernommenen Systems von sozialer Segregation zum Zwecke der Integration. Einen Wendepunkt in der Debatte stellt die Empfehlung der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates „Zur pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher“ von 1973 dar (vgl. Jantzen 1998a). Es wäre jedoch gänzlich illusorisch, die ab den siebziger Jahren beginnende Diskussion um Integration ursächlich mit den Gedanken der Empfehlung zu verbinden oder auch, sie ursächlich auf die durch die Studentenbewegung der späten sechziger und frühen siebziger Jahre angestoßenen sozialen und ideologischen Prozesse zurückzuführen, oder sie direkt als Erfolg der neuen sozialen Bewegungen in den achtziger Jahren wahrzunehmen (so Schumann 1993, 1996), obwohl dies alles nicht bedeutungslos gewesen ist. Was dabei aber Ausdruck gleichzeitig verlaufender Entwicklungsprozesse ist und was wirklich in Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen steht bzw. wie beides miteinander verknüpft ist, ist höchst schwierig einzuschätzen.

Immerhin steht die Studentenbewegung im Kontext verschiedenster nationaler und internationaler Ereignisse, deren wechselseitige Verschränkung noch lange nicht begriffen ist: So z.B. die internationale Gleichzeitigkeit von studentischen Revolten Ende der 60er Jahre,. ihr Kontext mit Bürgerrechtsbewegungen in den Metropolen und nationalen Befreiungsbewegungen in der sog. Dritten Welt, ihr Kontext mit dem Prager Frühling, um nur eine der damals systemübergreifenden Konnotationen zu benennen.

Kurz: es bleibt vieles unklar: Wie fügt sich unser Thema Segregation und Integration in die Prozesse der europäischen Geschichte, denn als schulische Integration ist es in den neunziger Jahren (siehe die Erklärung von Salamanca) in ganz Europa präsent? Wie fügt es sich in weltgeschichtliche Zusammenhänge, die auf der Ebene der Rechtsentwicklung die Menschenrechte behinderter Menschen zunehmend in die allgemeine Menschenrechtsentwicklung einbeziehen? (vgl. Lachwitz 1998)

Und wie ist es in nationaler Hinsicht? Auch hier sind es ersichtlich nicht nur Studentenbewegung und Bürgerrechtsbewegungen, sondern zugleich tiefgreifendere Prozesse angesichts veränderter ökonomischer und politischer Notwendigkeiten, die als Wende in der Nachkriegsgeschichte der BRD im Rahmen der großen Koalition und der ihr folgenden sozialliberalen Koalition eine veränderte Bildungs-, Gesundheits- und Sozialpolitik erzwingen. Hier finden wir die Gleichzeitigkeit von Prozessen angelegt, die sich als Integration im schulischen und vorschulischen Bereich realisieren, sozialpolitisch als Übergang in der gesetzlichen Verankerung von Rehabilitationsleistungen vom Kausalitätsprinzip zum Finalitätsprinzip, verbunden mit einer sich entwickelnden komplexen Infrastruktur von Rehabilitationsleistungen, als Psychiatriereform infolge der Psychiatrieenquête (1975) im Modellprogramm Psychiatrie ab 1978. Ihrerseits wird diese Entwicklung wieder gebrochen durch sich zunehmend national in Form der Arbeitslosigkeit entwickelnde Einschränkungen, die ihren Niederschlag in Umstrukturierungsmaßnahmen des Gesundheitssystems finden usw.

Und was ist mit jenen Bedingungen, die im Sinn von ökonomischer Globalisierung und sozialpolitischer Deregulierung, die bis dahin gekoppelt an finanzpolitische Konzepte der Weltbank und des Weltwährungsfonds sich vor allem gegenüber „Drittweltländern“ realisiert hatten, sich nun nach der Wiedervereinigung, nicht mehr gehemmt durch die sozial- und bildungspolitische Konkurrenz eines realsozialistischen Blocks, als „Sachzwänge“ der ökonomisch bedingten Angleichung unmittelbar in die Frage von Segregation und Integration hinein auswirken? So etwa über die Auswirkungen des Finanzierungsvorbehaltes für die Integration (gilt nun Artikel 3.3.2 des Grundgesetzes oder nicht?), der Qualitätssicherungsdebatte oder der Auswirkungen der Veränderungen im BSHG und in der Sozialgesetzgebung allgemein? (vgl. Speck 1999)

Ich gestatte mir, die Verwirrung noch etwas zu erhöhen, indem ich in Kürze auf die Entwicklung von Rehabilitation und Rehabilitationspädagogik in der DDR verweise.

So einfach, wie Ernst Klee dachte, mit seinem Film „Die Hölle von Uckermünde“ diese Geschichte aufzeigen zu können, ist sie nicht. Ohne die dort aufgezeigte erschreckende Realität in irgendeiner Weise bestreiten oder relativieren zu wollen, ist festzuhalten, daß es vergleichbare Bilder in der BRD lange genug gegeben hat (un durchaus noch gibt) und im vereinten Deutschland unterdessen weit eher Umhospitalisierung als Enthospitalisierung auf der Tagesordnung steht[3].

Auch die Geschichte der Rehabilitation und der Rehabilitationspädagogik in der DDR hat ihre eigentümlichen Fortschritte und Rückschritte, inneren Widersprüche, Entwicklungen im Gegensatz.

Immerhin kann ich bei dieser Betrachtung für mich in Anspruch nehmen, als Wilhelm-Wundt-Professor für Psychologie im Wintersemester 1987/1988 an der damaligen Karl-Marx-Universität in Leipzig die Widersprüche der DDR-Gesellschaft ein halbes Jahr langhautnah erlebt zu und bereits vor der Wende in einem Buchbeitrag hierzu notiert zu haben: „Ausgrenzender Umgang mit psychisch Kranken, Behinderten, alten Menschen und Ausländern ... sind Realität. Einschlägige Literatur der DDR wie eigene Erfahrungen belehrten mich, daß die Behindertenfeindlichkeit mindestens so groß sein muß wie bei uns, eher größer“ (Jantzen 1989, S. 202). Aber dies war bereits eine Situation in der Phase des Zerfalls.

Und selbst hier bestand eine innere Dynamik, existierten massive Widersprüche, insofern  zur gleichen Zeit, auf der Ebene von Literatur, die eine breite Leserschaft fand, humanistische Gegentendenzen für die Akzeptanz und Integration behinderter Kinder formuliert wurden (Geppert: Die Last, die Du nicht trägst, 1978; Keßling: Tagebuch eines Erziehers, 1980; Jun: Kinder die anders sind, 1982; Möckel: Hoffnung für Dan, 1983).

Und wie ist die kurz nach meinen Aufenthalt abgeschlossene und erschienene Längsschnittuntersuchung, von der Sektion Rehabilitationspädagogik der HUB ausgehend, zur „Entwicklungsdynamik drei- bis neunjähriger Kinder“ (Becker u.a. 1991) einzuschätzen, die der bisherigen langjährigen Arbeit im Bereich der frühen Prävention von Behinderung (vgl. Becker 1993, Becker und Braun 2000) ein auch im internationalen Kontext hervorzuhebendes Fundament zusätzlichen Wissens gibt?

Oder wie ist das „Grundlagenmaterial zur Gestaltung der rehabilitativen Bildung und Erziehung“, 1987 herausgegeben vom Ministerium für Gesundheitswesen der DDR und wesentlich begründet auf die langjährigen Anstrengungen von Sigmar Essbach, Dozent an der Sektion Rehabilitationspädagogik der HUB, zu beurteilen (vgl. Klein 1999), jenes Grundlagenmaterial, das nun auf ministerieller Ebene auch deutliche Änderungen in der Situation der sog. schulbildungsunfähigen Kinder zum Ausdruck brachte?

Und was waren die innere Dynamik und die inneren Widersprüche, bevor die Waage zwischen Aufbau und Verfall sich zunehmend zum letzteren Pol neigte? Immerhin galten Anfang der siebziger Jahre Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem im Systemvergleich BRD/DDR durchaus als respektabel bis vorbildlich.

So stellen Theunissen und Garlipp (1996) im Rückblick fest, daß mit der Ordnung zur Förderung geschädigter Säuglinge und Kleinkinder in Krippen und Heimen“ vom 8.8.73 Aufnahmekritierien in ähnlicher Weise bestimmt wurden, wie durch die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrats gleichzeitig für die BRD erst gefordert.

Und Bleidick bemerkt 1990 im Bericht zur Lage der Nation unter dem Aspekt „Behinderte im Bildungswesen“: „In der DDR ist der Versuch einer Neuordnung der sonderpädagogischen Praxisfelder weiter gediehen als in der Bundesrepublik. Rehabilitative Bewegungserziehung, rehabilitative Sinneserziehung, Denkerziehung, Spracherziehung und Gefühlserziehung werden didaktisch als schädigungsübergreifende Kategorien erfaßt“ (zit. nach Becker 1993, S. 226).

Vor was ich warnen möchte, ist jede Form von Reduktionismus, die oft mehr über den Beobachter sagt, als über das Beobachtete.

Auch hier ist weder der welthistorische Bezugsrahmen klar, noch mit welchen gesellschaftswissenschaftlichen Instrumenten wir die merkwürdige innere Situation staatskapitalistischer Gesellschaften des „realen Sozialismus“ beschreiben sollen, insbesondere dann, wenn sie wie z.B. die DDR, Polen, Ungarn oder die damalige Tschechoslowakei im alten Europa und keineswegs an der asiatischen oder an der Balkanperipherie existiert haben.

Möglicherweise ist Lukács’ (1987) posthum publizierte Analyse „Sozialismus und Demokratisierung“ hierzu ein Schlüssel, indem sie auf eine Politisierung im Privaten bei gleichzeitiger Entpolitisierung im Öffentlichen als Kernstruktur stalinisierter Gesellschaften hinweist, allerdings eine Politisierung, die sehr viel mehr dem marxistischen Humanismus verpflichtet war als den Werten des Christentums.

Möglicherweise sind Bourdieus Analysen von Tauschverhältnissen in vorkapitalistischen Gesellschaften (vgl. z.B. Bourdieu 1987) ein Schlüssel, um bestimmte Phänomene der Anerkennung im Alltagsleben der DDR zu begreifen, die als ein höheres Maß wechselseitiger sozialer Verantwortung im gemeinschaftlichen Bereich zu kennzeichnen sind. Aber sicher nicht so, als daß in dieser Beziehung die DDR-Gesellschaft als vorkapitalistische wahrgenommen werden könnte. Immerhin zeigen erste Ansätze einer systematischen Soziologie hier unter anderem in den Besonderheiten des hohen betrieblichen und gesellschaftlichen Mitspracherechts von Frauen sowie in der Verfaßtheit als „arbeiterliche“ Gesellschaft sehr deutliche Differenzen zur ehemaligen BRD auf (Engler 1999).

Und in all dem soll ich, sollen wir uns besinnen auf Segregation und Integration in historischer Perspektive, ganz zu schweigen von den zehn gemeinsamen Jahres vereinigtes Deutschland?

Denn hier sind wir nicht nur konfrontiert mit dem Problem, daß nach wie vor nicht oder nur höchst widerspruchsvoll „zusammenwächst was zusammengehört“ und anstelle blühender sozialer und pädagogischer Landschaften vorerst häufig nur die Finanzlandschaften blühen.

Wir können auch all die Anzeichen der Krise nicht von uns weisen, auf die Hobsbawn uns als typisch für den Schluß des vergangenen Jahrhunderts verweist. Die Rede von der „Postmoderne“ ist mehr als eine Rede, sie ist ein Symptom für den Zerfall an Weltgewißheit und Zukunftsgewißheit. Und von welcher Zukunftsgewißheit für unser Fach sollen wir reden, wenn hinter den Prozessen der sozialen Deregulierung sich bereits wieder das Medusenhaupt der biologischen Selektion erhebt? Andererseits wäre es völlig verfehlt, die positiven Entwicklungen nicht wahrzunehmen, so z.B. exemplarisch die deutlichen rechtlichen Fortschritte für behinderte Menschen, die in diesen Tagen die Verabschiedung des SGB IX erbracht hat (vgl. Lachwitz 2001).

Ersichtlich brauchen wir Bezugspunkte für Geschichtsschreibung, die ebenso geeignet sind, den inneren Zusammenhang der angesprochenen Prozesse denken zu können wie die bisher vergessenen, ausgegrenzten, übersehenen Perspektiven der Verlierer in unsere Rekonstruktionen aufzunehmen. Und auf keinen Fall ist uns mit einer Siegergeschichtsschreibung einer immer besseren Integration behinderter Menschen oder einer moralisch aufgeladenen Rekonstruktion vom Standpunkt der „Guten“ gedient.

Ich werden Ihnen im folgenden einige Vorschläge machen, wie unser Denken in dieser Beziehung sich ordnen könnte.

 

 

3 Segregation und Integration: Zum inneren Zusammenhang zweier nicht antagonistischer Kategorien

„Löst man die Abweichung aus ihrem geschichtlichen Zusammenhang und trennt man sie von der Wirklichkeit, auf die sich das Subjekt bezieht, so macht man sie in der Tat absolut und unbegreiflich“

(Franca Ongaro Basaglia 1985, S. 88)

 

Behinderung, so die moderne Diskussion, kann nicht auf Natur reduziert werden. Die ihr untergeschobene Konstruktion von Natur ist ihrerseits eine soziale Konstruktion. Als solche Konstruktion von Natur ist sie wie vergleichbare Konstruktionen von Rasse und Geschlecht ein Resultat der Machttransformationen im 19. Jahrhundert, so Foucault. „Die Macht kann ihren Aufwand von früher aufgeben. Sie nimmt die hinterlistige Form der Norm an, so verbirgt sie sich als Macht und wird sich als Gesellschaft geben“ (1976, S. 106). In seinem berühmten Aufsatz „Leben machen und Sterben lassen: Die Geburt des Rassismus“ spricht Foucault (1993) von zwei Schritten, die diese Transformation gewährleisten. Es sind dies die Individualisierung am Körper des Einzelnen durch eine entsprechende Diagnose und die Konstituierung einer Masse mit eben jenen Naturabweichungen, die dann Gegenstand der Bevölkerungspolitik ist. Die Feststellung von Behinderung, die scheinbar in Form von bloßer Natur auftritt, ist bereits das Resultat eines Diskurses um Segregation und Integration. Der soziale Akt der Diagnose der Naturabweichung ist bereits ein Akt des Rassismus.

Natürlich kann und muß um die sozialwissenschaftliche Erfassung der inneren Strukturen und Logik eines solchen Diskurses der Naturalisierung gestritten werden, daß er existiert, daran kann kein Zweifel bestehen.

Um die Dialektik seiner zentralen Kategorien Segregation und Integration aufzuzeigen, die als widersprüchliche Einheit eines gesellschaftlichen Regulativs, keineswegs jedoch als antagonistische Gegensätze zu begreifen sind (wie dies ein eher dogmatisches Denken suggerieren möchte; vgl. auch hierzu Gröschke 1998), bedarf es eines Begriffes dieses Widerspruchs, den das Foucaultsche Paradigma der „unterjochten Subjektivität“, so der Oberbegriff von Habermas (1989) zu dieser Denkweise nicht zu geben vermag, wohl aber das von Habermas im „Philosophischen Diskurs der Moderne“ nur begrenzt rekonstruierte geschichtsphilosophische Denken Hegels.

Die unlängst erschienene systematische Rekonstruktion des Weges der „Phänomenologie des Geistes“ durch Ludwig Siep (2000) macht in dieser Beziehung auf die Modernität Hegels aufmerksam, eine begriffliche Struktur für das Verhältnis von Subjektivität und Kultur sowie für das selbstreflexive Verhältnis der Subjekts und für das selbstreflexive Verhältnis der Kultur vorzuhalten, innerhalb derer unsere Diskussion angesiedelt ist. Grundparadigma ist die Dimension der Anerkennung, die man mit Honneth (1998b) als Anerkennung in der Liebe, im Recht und in der Solidarität oder mit Roth (1989) als Anerkennung in der Liebe, in der Ehre und im Absoluten lesen kann (vergl. Gröschke a.a.O., Jantzen 1997, 1998, S. 187 ff). Zur Rekonstruktion des Verhältnisses von „Ausschluß und Integration“ hat, im Schnittpunkt der Hegelschen und der Foucaultschen Herangehensweise, Franca Ongaro Basaglia 1982 (deutsch 1985) eine Analyse vorgelegt, die obwohl kaum beachtet, bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.

Ich rekonstruiere sie in Kürze, um sie für unsere Diskussion fruchtbar zu machen.

Grundthese ist es, daß sich die jüdisch-christliche Kultur auf Ausschluß gründet. Das Schema der Ausgliederung jedoch „entwickelt und wandelt sich mit der Fähigkeit des Menschen, die Natur und sich selbst zu beherrschen, das heißt, mit seinen Bedürfnissen, die eigene Identität über den Ausschluß des anderen zu begründen und zu bewahren“ (S. 73). Dies geschieht u.a. durch die Sprache der Manipulation, durch Internalisierung der Herrschaft und durch Entmündigung des anderen durch sublime Zerstörungspraktiken. Dabei unterscheidet Ongaro Basaglia verschiedene Schritte:

1. Das Überleben des Einzelnen wird durch die Tötung des anderen garantiert, der Ausschluß nimmt das Gesicht des Todes an.

„Wer ausschließt (tötet) bleibt integer, unversehrt; er bleibt lebendig, indem (und weil) er dem anderen den Tod zufügt“ (S.74).

Obgleich, nach der Vernichtung von mehreren 100.000 psychisch kranken und behinderten Menschen unter dem Hitlerregime, diese Dimension in den Untergrund gewandert ist, ist sie immer wieder präsent in der Debatte um Bioethik und Eugenik. Und sie ist auch präsent in jenen phantasmatischen Konstruktionen von behinderten Menschen in unserem Denken, auf die uns Dietmut Niedecken (1998) am Beispiel der „Institution geistige Behinderung“ aufmerksam macht.

Nicht die restlose Verobjektivierung des Anderen, ausgedrückt im Wunsch seines Wegmachens, seiner Nichtexistenz, auf die Niedecken uns verweist, ist im Hegelschen Sinne jedoch der entscheidende Sündenfall. Dieser Sündenfall liegt vielmehr in der Unfähigkeit des erkennenden Subjekts, diese Setzung als subjektive Konstruktion zu identifizieren und nun erneut in der Vermittlung mit dem Objekt als solche zu denken. Erst durch diese erneute Setzung kann die Subjektivität als Anderen gedacht und damit (sui generis und sodann in ihrer sozialen Vermittlung) anerkannt werden.

Integration und Ausschluß in diesem ersten Sinne haben ein Subjekt, den Ausschließenden. Was sich im Verlauf der Jahrhunderte ändern wird „ist einzig das Ausmaß der Entwirklichung des Ausgeschlossenen, das nötig ist, um die Integrität des Ausschließenden zu gewährleisten“ (Ongaro Basaglia a.a.O. S. 75).

2. Mit der Entwicklung sozialer Gruppierungen wird zum Feind erklärt, wer die Interessen der Gruppe antastet. Mit der Zentrierung sozialer Macht in einer Gemeinschaft wird zwar die Subjektivität der übrigen Mitglieder durch Ausschluß von dieser Macht beschnitten. Jedem Mitglied als „Knecht“ wird andererseits aber die Integrität in der Gruppe gesichert, „da und sofern er die Macht anerkennt, die ihn schützt“ (ebd. S. 76). Der ausgeschlossene Diener dient dem Herrn so wie der Herr dem Diener „dient“, indem er „die Gefahren der Verteidigung auf sich nimmt. Und unter Bezug auf die „Phänomenologie“ Hegels: Des Dieners „Unfähigkeit, sich zu verteidigen, legt ihn wie tot in die Hände des Herrn. Doch gerade weil er wie tot ist, braucht er den Herrn um zu leben“ (ebd.).

Da hiermit die Frage auftritt, welche Art von Verhalten am besten geeignet ist, um die Interessen des Herrn zu verstehen, ändert sich dieses Verhältnis „sobald die Vorstellung vom Feind mit Zügen der Andersartigkeit, der Regelwidrigkeit, der Monstrosität und mit dem Bild des Unruhestifters verwoben wird“ (ebd. S. 77). Wir stoßen damit auf jene Mechanik des Ausschlusses und der Integration, die Gegenstand der Foucaultschen Analyse ist. Gleichzeitig eröffnet uns die Hegelsche Analyse von sozialen Institutionen, als prinzipiell auf Tauschverhältnissen im Kampf um Anerkennung gründend (vgl. Roth 1989), höchst interessante Anschlußmöglichkeiten an moderne sozialwissenschaftliche Theorien.

3. Wichtigste soziale Technik des Ausschlusses bei unterbrochener Wechselbeziehung der wechselseitigen Anerkennung von Herr und Knecht ist die Reduktion auf den Körper[4], d.h. die Entwirklichung zum Naturgegenstand. Der Ausgeschlossene wird mit seiner Natur identifiziert, die u.U. als von Geburt an oder ggf. durch ein späteres schlimmes Schicksal verfügt wahrgenommen wird (ebd. S. 78).

Nun wissen wir aber, daß auch bei schwerster geistiger Behinderung der subjektive Status ebenso wie der soziale Austausch in Dialog und Kommunikation das Resultat sozialer Transaktionen sind, in dieser Beziehung niemand in psychischer Hinsicht als geistig behindert geboren wird (Niedecken a.a.O., Goode 1994).Die neuropychische Struktur selber ist das Resultat von internen Selektionsprozessen, an denen die Verfügbarkeit der Umwelt immer Anteil hat (Edelman 1993). Ja die mangelnde Verfügbarkeit der Umwelt schlägt sich in Form von erfahrener offener oder struktureller Gewalt als zusätzliche pathologische Organisation im Gehirn selbst nieder (vgl. Jantzen 2000a).

4. Eine neue Qualität erhält das Verhältnis von Ausgrenzung und Integration im modernen Staat nach der französischen Revolution. Fortschritt kann, nach den Kriterien von Malthus - und ich füge hinzu, ebenso der Globalisierer, die von einer 20 : 80 Gesellschaft träumen (vgl. Martin und Schumann 1994) - nur einem Teil der Menschen zukommen.

„Nach welchen Kriterien können sich Ausschluß und Integration in einer Gesellschaft vollziehen, welche die Gleichheit aller proklamiert hat und in der man gleichzeitig von der naturgegebenen Ungleichheit aller spricht?“

Mit der Formulierung dieses Widerspruchs betritt Ongaro Basaglia  (a.a.O. S. 84) die Welt der Moderne, die sie unter den Aspekten der Ausbeutung und des Verhältnisses von Kategorien und Institutionen analysiert.

Ich verlasse ihre Analyse hier, um das Problem unter dem Aspekt sozialer Verantwortung erneut aufzugreifen. Denn die Spaltung der Gesellschaft von Gleichen in von Natur aus Ungleiche führt zu jenem moralphilosophischen Dilemma der Moderne, das erstmalig mit dem von Herbert Spencer postuliertem antagonistischen Gegensatz von familiärer Ethik und gesellschaftlicher Ethik (zit. nach Koch 1973, S. 46) seine Form erhält, die in Max Webers Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik fortlebt. Ethische Werte, die für die Familie fundamental sind, sind für die Gesellschaft tödlich.

Daß jedoch genau diese Umkehrung selbst eine tödliche Keimzelle im Prozeß der Moderne ist, dies belegt Zygmunt Baumans luzide Analyse in seiner Trilogie der Moderne (Baumann 1987, 1992, 1995a).

Halten wir fest: Das Verhältnis von Segregation und Integration erweist sich in geschichtsphilosophischer Sicht als Problem der Anerkennung, die im Rahmen gesellschaftlicher und gemeinschaftlicher Formen des sozialen Austauschs erfolgt. Dabei wird die Integration im Gemeinwesen dann schrittweise außer Kraft gesetzt, wenn die entsprechenden Individuen Merkmale von Anormalität und Monstrosität zeigen, was jeweils unter bezug auf das gesellschaftliche Ganze zu bestimmen ist, hier auf die innere Differenzierung moderner Gesellschaften nach dem Wert der Arbeitskraft und anderen materiellen und ideologischen Kriterien von Normalität. Unter diesen Bedingungen der Reduktion auf Natur und Anormalität löst sich nach Verantwortung von diesen Individuen ab. Dies gibt sie der Segregation mit dem Hinweis auf ihre Natur preis (vgl. auch Jantzen 1998b, 2001).

Die Perspektive des gesellschaftlichen und historischen Vergleichs richtet sich damit auf die Gesamtheit der Lebensverhältnisse in unterschiedenen sozialen Feldern. Deren Struktur ist nach unseren bisherigen Überlegungen nicht mehr eine Frage der Anpassung an die sozial konstruierte sogenannte Natur behinderter Menschen, vielmehr jedoch eine Frage der Anerkennung, also von Gerechtigkeit und gutem Leben, wie Gröschke (2000) kürzlich die Dimensionen des Normalisierungsprinzips dechiffriert hat. Hier aber trifft der behindertenpädagogische, menschenrechtlich fundierte Diskurs in der Praxis auf einen betriebswirtschaftlichen Diskurs (ebd.). In diesem Verhältnis findet, sofern es unreflektiert bleibt, zwangsläufig die Außerkraftsetzung von persönlicher Verantwortung zugunsten technisch-formaler Verantwortung statt, produziert die Moderne in der Perspektive von Humanisierung zugleich die Vernichtung von Humanität, so das Resultat u.a. der soziologischen Analysen Baumans.

 

4 Die Rolle der Intellektuellen im Prozeß der Moderne und das Problem der Anerkennung behinderter Menschen

denn wer die Staatsgeschäfte führt, darf nie an sich denken, sondern nur an den Fürsten.“

(Niccolò Machiavelli „Der Fürst“, 22. Kapitel)

 

Daß die Genesis der Endlösung aus dem Geist der Aufklärung entstanden sein könnte, hatten schon Horkheimer und Adorno vermutet. Historische Forschungen und soziologische Erörterungen der letzten beiden Jahrzehnte liefern unterdessen ein hinreichendes Material, um aus dieser Perspektive das Verhältnis von Ausschluß und Integration neu zu denken.

Eine besondere Bedeutung für diese Diskussion hat Baumans Versuch einer Soziologie des Holocaust „Dialectic of Modernity“, in deutscher Übersetzung erschienen unter dem Titel „Dialektik der Ordnung“ (1992). Er geht davon aus, das die Shoa ein typisch modernes Ereignis ist, da die Bedingungen ihrer Möglichkeit erst durch die Moderne geschaffen wurden. Rückgrat des organisierten Massenmordes ist dessen bürokratische Organisation, und, wie wir dies unterdessen u.a. seit den Forschungen von Aly und Heim (1991) wissen, bevölkerungspolitische Planung durch große Teile der Sozialwissenschaften.

Nach Auffassung von Bauman ist ein ähnlicher Prozeß immer dann wieder möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen, Bedingungen der Möglichkeit zusammenkommen, die sonst streng voneinander getrennt sind. Hier nennt er im einzelnen:

1. Die Außerkraftsetzung persönlicher Verantwortung durch die autoritäre Einbindung der Handelnden ebenso wie durch Prozesse der sozialen Distanzierung über verschiedene Entscheidungsstufen hinweg. Beides unterliegt sozialen Bedingungen, wie es die Milgram-Experimente zeigen, und darf nicht in verborgenen Persönlichkeitseigenschaften gesucht werden. Dabei ist anzunehmen, daß die Bedingung der sozialen Distanzierung im Prozeß der Moderne zunimmt, die Bedingung autoritärer Einbindung jedoch durch pluralistische Demokratie außer Kraft gesetzt werden kann

2. Die Existenz einer gut funktionierenden Bürokratie.

3. Die Transformation von persönlicher Verantwortung in technisch-formale Verantwortung. Die scheint insbesondere jener Prozeß zu sein, der Bürokratien zu Prozessen der Verobjektivierung, der Außerkraftsetzung von Anerkennung, der Segregation bis hin zur Vernichtung befähigt.

4. Die nationalstaatliche Abgeschlossenheit.

5 Die Schwäche demokratischer Kontrolle.

6. Die Existenz einer sozialen Utopie, an welche die Beteiligten bereit sind, zu glauben.

Als wesentlichen Kern derartiger Utopien identifiziert Bauman den Fortschrittsglauben der möglichen Umgestaltung von Gesellschaften im Rahmen „gärtnerischer“ Visionen (Bauman 1993). In seinem Buch „Moderne und Ambivalenz“ (1995a) erörtert Bauman insbesondere die Unfähigkeit der Moderne, Ambivalenzen in ihr Selbstbild zu integrieren, anstelle sie auslöschen zu wollen, also ihre Unfähigkeit, Vielfalt und Differenz als die Grundlage eigener humaner Existenz anerkennen zu können.

7. Die Existenz einer Gruppe, die willens und bereit ist, eine solche Utopie umzusetzen und in der Lage ist, die Macht hierzu an sich zu bringen.

So erhellend Baumans Analysen sind, so wenig ist er andererseits Systematiker (vgl. Welzer 2001). Seine Soziologie ähnelt eher jener von Georg Simmel als der von Max Weber, Karl Marx oder Pierre Bourdieu.

Rekonstruiert man seine im Detail höchst anregenden und treffenden Befunde im Rahmen theoretischer Überlegungen, so zeigt es sich, daß ein Stück weit ungeklärt das „Warum?“ bleibt, aus dem heraus der Wechsel der Verantwortungsperspektive erfolgt, die für diesen Prozeß grundlegend ist. Auch Baumans „Postmoderne Ethik“ (1995b), die, wunderbar an Lévinas ansetzend und über ihn hinausgehend, das Problem der persönlichen Verantwortung aus der Wahrnehmung des Antlitzes des Anderen als Bedingung meiner eigenen Existenz als Kern ethischen Handelns begründet (vgl. hierzu auch Jantzen 1998b, 2001), beantwortet ebenso wenig die Frage, warum jemand diesen Wechsel zwischen persönlicher Verantwortung und technisch-formaler Verantwortung oder im Weberschen Sinne zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik vollzieht, warum selbst Theologen unter Bezug auf den göttlichen Willen sich auf die Seite der Vordenker der Vernichtung geschlagen haben.

Meinen theoretischen Vermutungen nach, gestützt durch einschlägige sozialwissenschaftliche und politikwissenschaftliche Analysen (vgl. Neumann 1986, Moscovici 1986), spielen hierbei massenpsychologische Prozesse eine enorme Rolle, die insbesondere in Form der Säkularisierung des Göttlichen nicht nur den „Fortschritt“ an die Stelle eines verhimmelten Gottes setzen (Sledziewski 1990), sondern zugleich in dieser Konstellation quasireligöse Beziehungen zu einem an dessen Stelle tretenden neuen, überindividuellen Subjekt realisieren (vgl. Jantzen 1994, Kap. 10). Derartige Bindungsprozesse, welche der faschistische Staatstheoretiker Carl Schmitt in seiner „Politischen Theologie“ (1985) untersucht, oder der französische Marxist Louis Althusser als individuelle Subjektion beschreibt, könnten erklären, warum Individuen in neuer Weise ihre Verantwortung zentrieren. Individuelle Subjektion erfolgt nach Auffassung von Althusser in Anlehnung an Lacan durch die Anrufung des Individuums (Subjekts) und den Prozeß seiner Wiedererkennung im „SUBJEKT“ (groß geschrieben). Unter SUBJEKT versteht Althusser hierbei den Staat bzw. das System seiner ideologischen Apparate (vgl. Haug u.a. 1979).

Könnte es nicht sein, daß es solche Prozesse der quasireligiösen Massenbindung sind, ein Aspekt, den Hegel mit dem Begriff der Anerkennung im Absoluten vor Augen hatte, die von zentraler Bedeutung für das Zusammenkommen jener Voraussetzungen des Holocausts sind, deren strikte Trennung Bauman für unumgänglich hält?

Eine gerade abgeschlossene Dissertation von Anne-Dore Stein (2001) zum sozialpolitischen Wirken von Wilhelm Polligkeit in der Zeit des Nationalsozialismus wirft Licht auf diese Zusammenhänge.

Ludwig Polligkeit, Geschäftsführer und später Vorsitzender des „Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge“ während der Weimarer Republik, in der Nazizeit nach bisheriger Lesart sozialpolitisch kaltgestellt und nur noch als Professor  an der Universität Frankfurt tätig, nach dem Kriege Neugründer und späterer Ehrenvorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und hoch dekoriert, niemals NSDAP-Mitglied, ordnet sich nach den von Frau Stein erschlossenen Quellen gänzlich anders in die Sozialgeschichte ein, als bisher vermutet. Und hierfür scheint seine nationalstaatliche Verantwortung der zentrale Schlüssel gewesen zu sein.

Auch im nationalsozialistischen Staat findet er seinen wissenschaftlichen und sozialpolitischen Ort mit hohen Einflußmöglichkeiten. Er ist einer der Vordenker nationalsozialistischer Wohlfahrtspolitik und damit „Vordenker der Vernichtung“. Er arbeitet mit am „Generalplan Ost“, also der geplanten deutschen Neubesiedlung des zu entvölkernden Ostens, für welche er wohnungsbaupolitische Voraussetzungen erforscht. Er engagiert sich aktiv bis in den Entwurf von Gesetzesvorlagen in der Frage der „Nichtseßhaften“, erweist sich hier als Koordinator wissenschaftlicher und sozialpolitischer Initiativen, die sich einreihen in die Bekämpfung der „Gemeinschaftsfremden“ als wesentlicher Teil des nationalsozialistischen Modernisierungsprojektes. Dies alles tut er ersichtlich aus nationalstaatlicher Pflicht.

Das Verhältnis von Segregation und Integration, dies ist eine der Folgerungen für die Gewinnung einer historischen Perspektive, entwickelt und wandelt sich ersichtlich beeinflußt von Prozessen im Herzen moderner Gesellschaften. Hier entsteht, wie es das Beispiel Polligkeit ebenso wie zahlreiche andere Beispiele zeigen, innerhalb der staatlichen und halbstaatlichen Institutionen der sozialen Infrastruktur ein neues Verständnis von Sozialwissenschaften als dem Staatszweck zuarbeitende Verwaltungs- und Bevölkerungswissenschaften. Ihr Grundkalkül ist das der Kosten-Nutzen-Analyse, der Wert des Menschen gerinnt zu seinem Wert oder Unwert für das staatliche Ganze.

Wie ist es nun möglich, den bei Spencer und Weber antagonistisch angelegten Widerspruch von Gesinnungs- und Verantwortungsethik zu bewältigen, der bei Bauman als Widerspruch von persönlicher Verantwortung und technisch-formaler Verantwortung auftritt und bei Gröschke (a.a.O.) als Widerspruch von behindertenpädagogischer und menschenrechtlicher Perspektive einerseits und betriebswirtschaftlicher Sicht andererseits? Die Rekonstruktion der Sichtweise der Verlierer, ohne deren Handeln von vornherein als „böse“ oder „schlecht“ zu denunzieren zeigt nur zu deutlich die innere Logik des Vorgehens der „Vordenker der Vernichtung“, immerhin durch viele Schritte getrennt von ihren möglichen Opfern. Sie einfach nur auf das „schlecht“ zu reduzieren verkennt völlig, daß unter vergleichbaren Bedingungen keiner von uns sicher sein kann, nicht in gleicher Weise gehandelt zu haben. Und es verkennt, daß jede Entscheidung über Integration und Segregation immer auch eine Entscheidung über die Verteilung ökonomischer Ressourcen ist.

Wie aber können ökonomische Ressourcen so verteilt werden, daß ihre Verteilung nicht gegen Grund- und Menschenrechte verstößt?.

Dies ist die eigentliche Frage, die hier auftaucht!

Und umgekehrt können auch jene nicht mehr als „gut“ erscheinen, die bei ihrem in bester Absicht gründenden behindertenpädagogischen Handeln gleichzeitig nicht die institutionellen, d.h. gesellschaftlichen Tauschverhältnisse wechselseitiger Anerkennung reflektieren. Denn führt nicht gerade dies zu einer Sisyphusarbeit, innerhalb derer das, vielfältigen sozialen Widrigkeiten geschuldete, ständige pädagogische und therapeutische Scheitern letztlich als Mangel an gutem Willen, als persönliches Unvermögen der Kollegen oder von sich selbst, Bosheit der anderen, eigene Schuld oder gar als Ausdruck der Natur der Klienten begriffen werden muß?

Und welche Bedeutung haben solche Sichtweisen in der Historie und für die historische Analyse von Integration und Segregation?

Ich muß hier darauf verzichten, das Problem der Verantwortung der Intellektuellen in genau dieser Ambivalenz zu untersuchen, die entsteht, wenn ich auch die Perspektive der Verlierer, exemplarisch aufgezeigt am Bereich der NS-Bevölkerungspolitik, reflexiv aufnehme. Hinzuweisen ist jedoch noch auf einen weiteren Aspekt des Aufnehmens der Verliererperspektive, in diesem Falle jener von behinderter Menschen.

 

5 Paternalismus und Wohltätermafia

„Der Begriff «Behindertenarbeit» stellt uns nicht als Menschen, sondern als Sachen dar.“                                                            

(Franz Christoph 1983, S. 124)

 

Der Spiegel, den behinderte Menschen unserem Fach entgegen halten, zeigt uns nicht immer das Bild, das wir von uns selbst haben oder haben möchten.

Des Dieners „Unfähigkeit, sich zu verteidigen, legt ihn wie tot in die Hände des Herrn. Doch gerade weil er wie tot ist, braucht er den Herrn um zu leben“, so hatte Ongaro Basaglia in Anspielung auf Hegels Analyse der Anerkennungsverhältnisse zwischen Herr und Knecht formuliert. Es besteht kein Zweifel, das sich dies auch im Anerkennungsverhältnis zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen in vergleichbarer Weise wiederholt.

Was aber sind die historisch vorgefundenen Interessen der Nichtbehinderten, sich zu engagieren? Ist es zunächst und zuvörderst ihre eigene Integrität, die sie herstellen wollen? Oder was sonst ist der Inhalt jener Wohltäterschaft, die seit Franz Christophs Buch „Krüppelschläge“ (1983) sowie Udo Siercks und Nati Radtkes Analyse der „Wohltätermafia“ (1984) sich als problematischer Kern scheinbar gewährter Anerkennung in der Integration erweist? Was in der Geschichte der Integration ist zu welchem Nutzen der Integrierer geschehen, was waren und was sind deren verdeckte Motive? Welche Vorleistungen und welche Belohnungen verlangen sie, damit sie Zuwendung erteilen? Und drückt ihre massive Zurückweisung der (hinter der Polemik) analytischen Position von Christoph oder von Sierck/Radtke nicht geradezu aus, daß ihre Art der helfenden Beziehungen nichts anderes ist als die Aufrechterhaltung einer Institution, die selbst jene in paternalistischer Wohltäterschaft verbrämte Unmündigkeit behinderter Menschen hervorbringt, die sie zu beheben vorgibt?

Die modernen sozialwissenschaftlichen Analysen paternalistischer Verhältnisse (z.B. Jackman 1996) verweisen nur allzu deutlich darauf, daß auch in scheinbar gelingender Integration ihr Gegensatz der Segregation unter der Hand erneut produziert wird durch die Notwendigkeit, die Wohltäter als Wohltäter anzuerkennen. Die Vorderbühne der Integration ebenso wie die Hinterbühne der Segregation entstehen gleichzeitig als innere Widersprüche im Kampf um Anerkennung. Was höchst unterschiedlich sein kann, sind hierbei die Konstellationen im Feld der Macht. Doch dies ist bereits ein anderes Thema (vgl. Jantzen 2000b).

Worauf es mir ankam war es, in meinem Vortrag eine Perspektive für die Aneignung der eigenen Fachgeschichte zu eröffnen, die darauf verzichtet, Integration und Segregation abstrakt gegenüber zustellen. Beide sind dialektische Pole im Kampf um Anerkennung und als solche unaufhebbar, wenn auch nicht antagonistisch.

Von hoher Bedeutung für die Zukunft unseres Faches scheint es mir darüber hinaus zu sein, die Geschichte jener, die behinderte Menschen segregiert haben und uns in der Geschichte oder heute als die Verlierer, die Bösen, die Schlechten erscheinen, nochmals in ihrer inneren Logik und Widersprüchlichkeit, d.h. in ihrer Geschichtlichkeit zu untersuchen (vgl. exemplarisch meine Arbeit zu Stutte; Jantzen 1993). Tun wir dies nicht, so sind wir verurteilt, gerade dann, wenn wir glauben, ihren Denkweisen entkommen zu sein oder zu können, sie unreflektiert durch unser Handeln zu wiederholen.

Und schließlich bedeutet eine historische Haltung zu dieser Frage auch, sich der Kritik jener zu stellen, die immer gegenüber uns selbst in der schwächeren Position sind und sein werden. Erst die Aufnahme und grundsätzliche Akzeptanz der Kritik behinderter Menschen in die Selbstbetrachtung des Faches und seiner Konstruktionen - ob dies bequem ist oder nicht - wird zumindest die nach wie vor deutlichen rassistischen Anteile in der Wahrnehmung von Behinderung zurückzudrängen vermögen, die heute nicht nur über Bioethik, Verhaltensgenetik u.a.m. in einem neuen Schub der Biologisierung sozialer Verhältnisse bereits allzusehr auf dem Vormarsch sind.

 

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Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Wolfgang Jantzen

Institut für Behindertenpädagogik

Universität Bremen, FB 12

Enrique Schmidt-Straße

28334 Bremen

E-mail: wjantzen@uni-bremen.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1] Diesen Begriff für das System der entsprechenden inneren Auseinandersetzungen um Ausschluß und Integration zu verwenden, steht durchaus in den Traditionen politischen Theorie der Neuzeit; vgl. hierzu (mit Bezug auf Spinoza) Negri 1982 bzw. die Debatte um den Begriff des „Stellungskrieges“ bei Gramsci.

[2] Natürlich hat eine solche Perspektive nichts mit der Teilung von Ansichten der Verlierer oder der Gewinner zu tun, sie ist die wissenschaftliche Rekonstruktion der inneren Strukturen, Motive und Logiken des Handelns causa sui.

[3] Vgl. Theunissen und Hofmann 1998, Theunissen 1998; selbst die Erfolgsgeschichte von Kloster Blankenburg  ist in dieser Hinsicht nicht ohne dunkle Flecken (vgl. Irrgang u. Weigelt 1999).

[4]  Ongaro Basaglia nennt als weitere Techniken die Entwirklichung des Körpers und der Konstituierung von Schuld.



[i] Fachvortrag beim Rehabilitationswissenschaftlichen Symposium aus Anlaß von 50 Jahren Sonder- und Rehabilitationspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin, „Herausforderungen und Perspektiven der Rehabilitations- und Sonderpädagogik in Bildung, Versorgung und Forschung“ am 21.6.2001.